Erneuerbare Energien

Intelligentes Verschwenden mit positiver CO2 Bilanz

Interview-Serie mit Solarexperte Prof. Dr. Timo Leukefeld - Teil 1 / 3

Freitag, 18.11.2022

Im ersten Teil der Interview-Serie skizziert Prof. Dr. Timo Leukefeld seine Vision von Energieautarkie.

Bild zeigt Sonnenblumenfeld
Quelle: Jeb Buchman/Unsplash
Als Vorreiter des energieautarken Bauens setzt Prof. Dr. Timo Leukefeld auf Solarenergie.

Die Appelle auf alternative Energierträger umzusatteln, könnten kaum lauter sein als aktuell. Ein Großteil der Deutschen sehen die Problematik der Energiewende und Versorgungssicherheit gleich: Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts „forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen“ im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gaben 75 Prozent der Deutschen an, dass Solarenergie deutlich mehr genutzt werden sollte. Direkt hinter dem Spitzenreiter reihen sich Windenergie und Wasserstoff ein. Fossile Energieträger fallen zwar weit ab, aber führen dennoch die Liste der meist genutzten Heizsysteme mit 52 Prozent Gas und 18 Prozent Öl an.

Bild zeigt Grafik
Quelle: DBU
Eine Umfrage des forsa Instituts zeigt, welche Energieträger mehr genutzt werden sollten.

Prof. Dr. Timo Leukefeld hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht diesen Umstand zu ändern. Er gilt als Vorreiter des energieautarken Bauens und erklärt in diesem dreiteiligen Interview, was das genau bedeutet. Außerdem teilt er seine persönlichen Ansichten, gibt einen Einblick in seine großartigen Projekte und beschreibt seine Zukunftspläne.

Können Sie sich kurz vorstellen und etwas zu Ihren vielfältigen Tätigkeiten sagen?

Ich bin in einer Försterei aufgewachsen und habe die Nachhaltigkeit quasi mit der Muttermilch aufgesogen. In der Försterei lernte ich vor allem integrales Denken, das beruht auf Zusammenhangswissen. Das ist uns politisch bei der Energiewende verlorengegangen. Später habe ich einen ordentlichen Handwerksberuf gelernt und als Heizungsbauer gearbeitet. Danach habe ich Energetik studiert. Seit 30 Jahren bin ich selbstständig und plane heute mit meinem Ingenieurbüro weltweit vernetzte energieautarke Gebäude. Die Gebäude, wovon die meisten Mehrfamilienhäuser sind, versorgen sich zum größten Teil mit Wärme, Strom und E-Mobilität aus der Sonne und werden mit Pauschalmiete und Energieflatrate vermietet. Wir verhindern für unsere Kunden gestrandetes Anlagevermögen und ermöglichen stattdessen sinnvolle und lukrative Investitionen. Außerdem arbeite ich am Zukunftsinstitut mit und erforsche Trends rund um zukunftsfähige Gebäude. Ich lehre an der TU Bergakademie Freiberg in der Vorlesung „Vernetzte energieautarke Gebäude“. Das ist die einzige Hochschulveranstaltung dieser Art in ganz Deutschland.

Was verstehen Sie unter Energieautarkie / autark leben?

Energieautarkie ist wissenschaftlich nicht sauber definiert. Viele denken, dass ihr Gebäude energieautark ist. Wir orientieren uns an dem anerkannten Baustandard „Sonnenhaus autark“ des Sonnenhaus-Instituts. Dieser Standard fordert unter anderem eine echte solare Deckung (Autarkiegrad) von mehr als 50 Prozent bei Wärme und Strom. Wir liegen bei unseren Projekten zwischen 50 und 70 Prozent und vernetzen gerne. Gemäß dem abnehmenden Grenznutzen lohnt es sich nicht, auf 100 Prozent zu gehen. Die letzten 30 Prozent Energieautarkie sind - so unsere Erfahrung - genauso teuer in der Investition wie die ersten 70 Prozent.

Wie setzen Sie das in Ihrem Privatleben um?

Nachdem ich in meiner Diplomarbeit mit einem Kommilitonen zusammen eine energieautarke Siedlung in Andalusien geplant hatte, wollte ich das anschließend in Deutschland anwenden. Hier hat uns niemand geglaubt. Deswegen entschied ich mich mit meinem Forschungsteamkollegen Stephan Riedel für den Selbstversuch. Wir bauten ohne Fördermittel auf eigene Kosten mit HELMA Eigenheimbau vor zehn Jahren zwei selbst entwickelte energieautarke Einfamilienhäuser in Freiberg. Eines nutze ich mit meiner Firma als Bürohaus, das andere als Wohnhaus. Die TU Bergakademie Freiberg begleitete das innovative Projekt messtechnisch über vier Jahre und setzte insgesamt etwa 400 Sensoren ein. Das Ergebnis: Ja, es funktioniert, energieautark zu bauen und zu leben.

Gibt es Einschränkungen, mit denen Sie leben?

Bis auf die ersten vier Jahre, in denen wir mit den 400 Sensoren unter ständiger Beobachtung standen, gab es keine Einschränkungen. Im Gegenteil, wir haben zu viel Energie. Wir leben nicht mehr bei DIN Norm Temperatur im Wohnzimmer, sondern drehen die Heizung auf 23 Grad auf. Dabei belasten wir weder die Umwelt noch die Geldbörse. Im Winter haben wir viele LED-Lampen an, um die lichtarme Jahreszeit gut zu überbrücken. Außerdem haben wir in zehn von 12 Monaten Solarstromüberschüsse in unser Elektroauto geladen. Somit konnten wir mit gutem Gewissen elektrisch fahren. Ich nenne das gern etwas provozierend „intelligentes Verschwenden“. Das ist das Gegenteil vom extremen Sparen. Wir wollen Häuser so konzipieren, dass deren Bewohner so bleiben können, wie sie von Natur aus sind: leicht verschwenderisch. Dabei soll aber weder die Umwelt noch der Geldbeutel belastet werden. Das ist Lebensqualität, Absicherung und selbstbestimmtes Leben.

Weiterführende Informationen: https://www.timoleukefeld.de/

Von Julia Huber
Online Redakteurin
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